Referenzen 2004

FFH-Verträglichkeitsprüfungen gemäß Art 6 (3) zu mehreren NATURA 2000-Gebieten im Rahmen geologischer Voruntersuchungen mit Baugrunduntersuchungen bzw. Kernbohrungen im aquatischen Bereich der Elbe im Zuge der Planung zur A20 Nord-West-Umfahrung Hamburg

Gutachten im Auftrag des Straßenbauamtes Itzehoe.

Im Rahmen geologischer Voruntersuchungen mit Baugrunduntersuchungen bzw. Kernbohrungen im aquatischen Bereich der Elbe im Rahmen der Planung zur A20 Nord-West-Umfahrung Hamburg wurde die leguan gmbh im Januar 2004 damit beauftragt, Verträglichkeitsprüfungen nach Art 6 (3) der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-RL, RAT DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN 1992) in Verbindung mit § 34 BNatSchG für das Besondere Schutzgebiet (BSG) DE 2323-401 "Unterelbe bis Wedel" (VSchRL) und für das Gebiet von Gemeinschaftlicher Bedeutung (GGB) "Unterelbe" durchzuführen.

Das Besondere Schutzgebiet (BSG) DE 2323-401 "Unterelbe bis Wedel" (VSchRL) wurde vom Land Schleswig-Holstein in der 2. Tranche (Stand: 15.05.2001) als Natura 2000-Gebiet benannt. Das Land Niedersachsen meldete das Gebiet von Gemeinschaftlicher Bedeutung (GGB) "Unterelbe" als Natura 2000-Gebiet (Stand: März 2000).

Die vorgelegten FFH-VP richteten sich in Inhalt und Gliederung weitestgehend nach dem von der Arbeitsgemeinschaft KIFL, COCHET CONSULT und TGP entworfenen "Leitfaden für Bundesfernstraßen zum Ablauf der Verträglichkeits- und Ausnahmeprüfung nach §§ 34, 35 BNatSchG", im Folgenden als KIFL et al. (2003a) bezeichnet. Teil III des Leitfadens bildeten Thematische Merkblätter (KIFL et al. 2003b), die ebenfalls als Grundlage dieser FFH-VP dienten.

Im Rahmen der hier zu prüfenden Probebohrungen waren neben möglichen Erschütterungen insbesondere Schwebstoffemissionen und Bodenverdichtungen während der Bauphase von Bedeutung.

Im Folgenden werden aus Gründen der Übersichtlichkeit die wesentlichen Inhalte der Gutachten für beide Gebiete getrennt aufgeführt:

BSG "Unterelbe bis Wedel"

Gemäß dem Standard-Datenbogen des BSG "Unterelbe bis Wedel" (Stand 15.05.2001) wurden explizit folgende Erhaltungsziele benannt:

  • Möglichst naturnahe Erhaltung des Elbeästuars mitsamt der Nebenflüsse
  • Erhalt der Teillebensräume im Brack- u. Süßwasserteil sowie der Erhalt der typischen Tier- und Pflanzenarten (insbesondere Sicherung der natürlichen Standorte und Vorkommen des endemischen Tide-Fenchels als repräsentative Art der gefährdeten Süßwasser-Tideröhrichte)
Für den Teil des BSG "Unterelbe bis Wedel" im Wirkungsbereich der geplanten Maßnahme wurden im Rahmen der FFH-Verträglichkeitsprüfung zur A20-Nord-West-Umfahrung Hamburg (Elbquerungsstelle I) in Absprache mit dem LANU Schleswig-Holstein spezifische Erhaltungs- und Entwicklungsziele formuliert (KIFL 2002).

Solche spezifischen Erhaltungs- und Entwicklungsziele in Bezug auf die Vogelwelt wurden für den terrestrischen Vorland-Bereich nicht erarbeitet. Als übergeordnetes Ziel sollte zusätzlich die Kontinuität der Unterelbe als Vogellebensraum erhalten und entwickelt werden: Für die aquatischen Bereiche muss die Funktion als Nahrungshabitat Fisch verzehrender Möwen und Seeschwalben sowie für alle Wasservogelarten als sicherer Ruheplatz und als gefahrloser Wechselweg zwischen den verschiedenen Teilgebieten im Elbästuar erhalten bleiben.

Nachfolgend werden die Brutvogelarten des BSG "Unterelbe bis Wedel" benannt, welche in Anhang I der Vogelschutz-RL geführt werden (nach KIFL 2002):
  • Eisvogel (Alcedo atthis)
  • Nonnengans (Branta leucopsis)
  • Weißstorch (Ciconia ciconia)
  • Rohrweihe (Circus aeruginosus)
  • Wachtelkönig (Crex crex)
  • Wanderfalke (Falco peregrinus)
  • Lachseeschwalbe (Gelochelidon nilotica)
  • Seeadler (Haliaeetus albicilla)
  • Neuntöter (Lanius collurio)
  • Schwarzkopfmöwe (Larus melanocephalus)
  • Blaukehlchen (Luscinia svecica)
  • Tüpfelsumpfhuhn (Porzana porzana)
  • Säbelschnäbler (Recurvirostra avosetta)
  • Flussseeschwalbe (Sterna hirundo)
  • Küstenseeschwalbe (Sterna paradisaea)
Es folgen die Rastvogelarten (Anhang I der Vogelschutz-RL) des BSG "Unterelbe bis Wedel", wobei bereits bei den Brutvögeln benannte Arten hier ggf. noch einmal aufgelistet werden:
  • Blässgans (Anser albifrons)
  • Nonnengans (Branta leucopsis)
  • Trauerseeschwalbe (Chlidonias niger)
  • Singschwan (Cygnus cygnus)
  • Lachseeschwalbe (Gelochelidon nilotica)
  • Schwarzkopfmöwe (Larus melanocephalus)
  • Pfuhlschnepfe (Limosa lapponica)
  • Wespenbussard (Pernis apivorus)
  • Kampfläufer (Philomachus pugnax)
  • Goldregenpfeifer (Pluvialis apricaria)
  • Zwergseeschwalbe (Sterna albifrons)
  • Säbelschnäbler (Recurvirostra avosetta)
Im Standard-Datenbogen (Stand: 05.05.01) wurden zusätzlich zwei weitere Arten für das BSG benannt, die nicht in den Anhängen der Vogelschutz-RL geführt werden:
  • Zwergschwan (Cygnus columbianus)
  • Zwergmöwe (Larus minutus)
Laut Angaben des Standard-Datenbogens stellt das BSG das bedeutendste Brutgebiet für Blaukehlchen und Flussseeschwalbe in Schleswig-Holstein dar.
Darüber hinaus handelt es sich um ein sehr bedeutendes Rastgebiet u. a. für Gänse und Zwergschwäne.

Neben Kurzbeschreibungen der Autökologie, Verbreitung und Vorkommen im Untersuchungsgebiet wurden für die einzelnen Arten ggf. auch funktionale Beziehungen zu anderen NATURA 2000-Gebieten berücksichtigt.

Es erfolgten Beschreibungen des geplanten Vorhabens, die Wirkungen auf die Erhaltungsziele der Schutzgebiete (temporär und potenziell anhaltend) wurden prognostiziert sowie potenziell betroffene Arten ausgewiesen.

Aufgrund der starken Nutzung des Deichs durch Spaziergänger im Bereich der geplanten Maßnahme konnte die Funktion als Brut-, Nahrungs-, Ruhe- oder Rasthabitat für Arten mit mittlerer oder hoher Störungsempfindlichkeit von vornherein als stark eingeschränkt gelten. Auf das gesamte BSG bezogen, war für keine der genannten Vogelarten von erheblichen Beeinträchtigungen durch das geplante Vorhaben auszugehen. Lediglich für Fluss-, Küsten- und Zwergseeschwalbe sowie Schwarzkopfmöwe waren geringe Beeinträchtigungen zu erwarten, da eine gelegentliche Nutzung des betroffenen Bereichs als Nahrungshabitat nicht ausgeschlossen werden konnte. Alle übrigen im Gebiet vorkommenden Arten des Anhang I werden durch die geplante Maßnahme nicht beeinträchtigt.

Zu diesem Zeitpunkt lagen keine Kenntnisse über weitere Pläne und Projekte vor, die potenziell kumulative Beeinträchtigungen zusammen mit den geplanten Baugrunduntersuchungen verursachen könnten.

GGB "Unterelbe"

Gemäß Kurzgutachten (NLÖ 2000) wurden explizit folgende Erhaltungsziele benannt:
  • Erhaltung und Entwicklung eines ökologisch durchgängigen Flusslaufs als (Teil-) Lebensraum von Anhang-II-Fischarten (Verbindungsgewässer des niedersächsischen Fließgewässerschutzsystems)
  • Schutz und Entwicklung naturnaher Ästuarbereiche mit Süßwasser- und Brackwasser-Wattflächen (u. a. als Lebensraum des Schierlings-Wasserfenchels) und Salzwiesen
  • Schutz und Entwicklung von Weiden- und Hartholz-Auwäldern im Komplex mit feuchten Hochstaudenfluren
  • Schutz und Entwicklung magerer Flachland-Mähwiesen in höher gelegenen Außendeichsbereichen
  • Schutz und Entwicklung von naturnahen Stillgewässern (Altarme, Kolke)
Gemäß Kurzgutachten (NLÖ 2000) für das GGB "Unterelbe" wurden folgende Lebensraumtypen des Anhang I FFH-RL aufgeführt:
  • Auen-Wälder mit Erle (Alnus glutinosa) und Gemeiner Esche (Fraxinus excelsior) (prioritärer Lebensraum)
  • Ästuarien
  • Atlantische Salzwiesen
  • Magere Flachland-Mähwiesen
  • Feuchte Hochstaudenfluren
  • Eichen-Ulmen-Eschenauenwälder am Ufer großer Flüsse
Für diese Lebensräume wurden Vorkommen beschrieben und in ihrer Ausprägung bzw. Relevanz bewertet.

Gemäß Kurzgutachten (NLÖ 2000) wurden für das GGB "Unterelbe" folgende Tier- und Pflanzenarten des Anhang II FFH-RL aufgeführt:
  • Flussneunauge (Lampetra fluviatilis)
  • Meerneunauge (Petromyzon marinus)
  • Finte (Alosa fallax)
  • Rapfen (Aspius aspius)
  • Schierlings-Wasserfenchel (Oenanthe conioides) (prioritär)
Obwohl folgende Arten in den vorliegenden Quellen für das GGB nicht angegeben waren, stellen sie nach Auffassung der leguan gmbh aus verschiedenen Gründen (z. B. gegebener Lebensraumeignung, Mobilität, etc.) durchaus relevante Arten dar:
  • Schlammpeitzger (Misgurnus fossilis)
  • Lachs (Salmo salar)
  • Nordseeschnäpel (Coregonus oxyrhynchus) (prioritär)
  • Seehund (Phoca vitulina)
Auch hier erfolgten für alle der aufgeführten Arten Beschreibungen der Verbreitung und Einschätzungen bzgl. ihrer Relevanz.

Das geplante Vorhaben wurde beschrieben und die Wirkungen auf die Erhaltungsziele der Schutzgebiete (temporär und potenziell anhaltend) prognostiziert sowie potenziell betroffene Arten ausgewiesen.

An Wirkprozessen wurden "Schwebstofffrachten", "Geräuschemissionen" und "Lichtemissionen" als relevant eingestuft und für jedes der zuvor als relevantes Schutz- und Erhaltungsziel der aufgeführten Lebensraumtypen des Anhang I und Arten des Anhang II hinsichtlich seiner Auswirkungen abgeprüft. Beim Lebensraumtyp "Ästuarien" war zudem der lokal wirkende Prozess "Bohrkern" bedeutend und wurde daher ebenfalls untersucht.

Die Prüfung ergab eine geringe Beeinträchtigung für den Lebensraumtyp 1130 "Ästuarien" durch den Wirkprozess "Bohrkern".
Weiterhin wurden mögliche geringe Beeinträchtigungen für die Laichgebiete von Finte, Rapfen, Schlammpeitzger und möglicherweise des Nordseeschnäpels durch den Wirkprozess "Schwebstofffrachten" identifiziert. Diese sind sowohl für juvenile als auch adulte Tiere anzunehmen.
Hinzu kommen geringe Beeinträchtigungen durch den Wirkprozess "Schwebstofffrachten" auf wandernde Fluss- und Meerneunaugen sowie Lachse. Geringe Beeinträchtigungen auf Finte, Rapfen, Schlammpeitzger, Lachs und Nordseeschnäpel durch den Wirkprozess "Lichtemissionen" konnten nicht ausgeschlossen werden.

Dennoch führt das geplante Vorhaben insgesamt nicht zu erheblichen Beeinträchtigungen von Lebensraumtypen und relevanten Tierarten im GGB.

Auch wenn aus naturschutzfachlicher Sicht eine ganzjährige Durchführung des Vorhabens möglich wäre, wurde vorgeschlagen, im aquatischen Bereich die Bohrtätigkeit in der Zeit von Januar bis März und Juli bis September durchzuführen. In diesem Bohrzeitraum würden sowohl die Laich- als auch Wanderungszeiten der betroffenen Fisch- und Rundmaularten - und zwar sowohl der adulten als auch jungen Tiere - ausgespart werden. Es handelt sich wiederum um eine reine Vorsichtsmaßnahme, da eine geringe Beeinträchtigung nicht ausgeschlossen werden konnte.

Recherchen ergaben, dass es Pläne zur geplanten Elbvertiefung sowie zur Erweiterung der Firma Steinbeis Temming Papier GmbH & Co in Glückstadt gibt.
Beide Projekte werden jedoch vorraussichtlich erst im Jahr 2006 (Elbvertiefung) bzw. 2005/2006 (Erweiterung Papierfabrik) eine Relevanz entwickeln. Erst dann wird mit konkreten Baumaßnahmen zu rechnen sein.
Zusammenfassend wurde mit dem Ausbleiben von kumulativ wirkenden Beeinträchtigungen auf die Erhaltungsziele des GGB ausgegangen.



Hier zitierte Literatur:

KIFL (2002): A20-Nord-West-Umfahrung Hamburg.- Untersuchung zur Verträglichkeitsprüfung des Vorhabens gemäß Art 6, Abs. 3 der FFH-Richtlinie bzw. § 19c BNatSchG. Elbquerungsstelle I im Bereich des Gebiets von Gemeinschaftlicher Bedeutung/pSCI DE2119-301 "Unterelbe" (FFH). Gutachten im Auftrag des Niedersächsischen Landesamtes für Straßenbau.

KIFL, COCHET CONSULT & TGP (2003a): Gutachten zum Leitfaden für Bundes-fernstraßen zum Ablauf der Verträglichkeits- und Ausnahmeprüfung nach §§ 34, 35 BNatSchG. (Stand 29.April 2003). Teil II: Kommentierte Mustergliederungen.- F.E. 02.221/2002 LR Entwicklung von Methodiken und Darstellungsformen für FFH-Verträglichkeitsprüfungen (FFH-VP) im Sinne der EU-Richtlinien zu Vogelschutz- und FFH-Gebieten.

KIFL, COCHET CONSULT & TGP (2003b): Gutachten zum Leitfaden für Bundes-fernstraßen zum Ablauf der Verträglichkeits- und Ausnahmeprüfung nach §§ 34, 35 BNatSchG. (Stand 29.April 2003). Teil III: Thematische Merkblätter.- F.E. 02.221/2002 LR Entwicklung von Methodiken und Darstellungsformen für FFH-Verträglichkeitsprüfungen (FFH-VP) im Sinne der EU-Richtlinien zu Vogelschutz- und FFH-Gebieten.

NIEDERSÄCHSISCHES LANDESAMT FÜR ÖKOLOGIE, NLÖ (2000): Beschreibung der FFH-Gebietsvorschläge. FFH-Gebietsvorschlag 3: Unterelbe. Stand: März 2000.

Projektmitarbeit

Dipl.-Biol. Andreas Albig
Dipl.-Geogr. Dipl.-Biol. Dr. Manfred Haacks
Dipl.-Biol. Tom Müller
Dipl.-Biol. Rolf Peschel

Projektverzeichnis auf dem leguan-Server Zugang nur mit Berechtigung möglich.

Aktualisierung 05.07.2006